Arthrose und Arthritis beim Hund
Gelenke unterliegen einer ständigen mechanischen Beanspruchung. Wie jedes mechanische System nutzen sich die Gelenke eines Tieres mit der Zeit ab. Der Verschleiß erfolgt mit dem Alter, er kann jedoch auch durch Verletzungen, Infektionen sowie durch krankhafte Veränderungen des Gelenkknorpels beschleunigt und verstärkt werden. Mechanischer Stress und Verschleiß stehen dem natürlichen Kompensations- und Regenerationsvermögen der Gelenkstrukturen (Gelenkknorpel, Gelenkflüssigkeit, Gelenkkapsel) gegenüber. Wird dieses Vermögen Dauerhaft überfordert, dann entsteht eine sog. Arthropathie, d.h. eine Erkrankung des Gelenkes. Gelenkerkrankungen sind bei Mensch und Tier ein häufiges Ereignis, so daß die Begriffe "Arthrose" und "Arthritis" im täglichen Sprachgebrauch fest etabliert sind. Jeder versteht, daß man ganz allgemein ein schmerzhaftes Gelenk meint. Welches sind die wichtigsten Arthropathien beim Hund, wie entstehen sie und wann muß der Tierarzt eingreifen? Diese Fragen werden nachfolgend praxisorientiert diskutiert.
Die "Arthrose" ist die nichtentzündliche Form einer Gelenkerkrankung. Synonym wird in der Human- und Tiermedizin auch die Bezeichnung "degenerative Gelenkerkrankung" verwendet. Degenerativ deshalb, weil es im Verlaufe der Gelenkerkrankung zu Substanzverlusten (z.B. von Knorpelgewebe) einerseits und zur Bildung von minderwertigen Ersatzgeweben (z.B. knochige Zubildung, Reparaturgewebe) andererseits kommt. Insgesamt bewirken diese Veränderungen eine Funktionseinschränkung des Gelenkes und deshalb eine zunehmende Schmerzhaftigkeit bei Bewegung. Ist die Arthrose erst einmal etabliert, reagiert sie auf Belastung nicht selten mit entzündlichen, sehr schmerzhaften Schüben. Man spricht dann von einer "aktivierten Arthrose", die fast immer eine tierärztliche Behandlung erfordert.
Der Begriff "Arthritis" beschreibt eine Entzündung des Gelenkes. Klassischerweise sind es Bakterien, die über gelenknahe Verletzungen oder über den Blutkreislauf in das Gelenk gelangen und dort Entzündungsreaktionen initiieren, die zu einer erheblichen Zerstörung der Gelenkstrukturen führen können. Beim Hund ist diese Art von Gelenkerkrankung relativ selten. Gelenksarthrosen werden beim Hund sehr viel häufiger diagnostiziert als bei der Katze. Warum dies so ist, bleibt unklar. Klar erkennbar ist jedoch, daß es eine Reihe von Einflußfaktoren gibt, die die Entstehung einer Arthrose beim Hund begünstigen (siehe Tabelle 1). An der Spitze dieser Einflußfaktoren stehen die Wachstums- und Entwicklungsstörungen. Überlagert wird dieser Bereich zusätzlich von dem Einfluß der Ernährung, der insbesondere in der Phase der Aufzucht nicht hoch genug eingeschätzt ist. Ein enges Ca:P-Verhältnis sowie die insgesamt zu energiereiche Ernährung während dieser Zeit sind bekannte Probleme. Eine unausgewogene Ernährung in der Phase des Wachstums leistet somit sicherlich Vorschub für die Entwicklung einer degenerativen Gelenkerkrankung.
Besonderheiten der Arthrose
Nahezu alle in Tabelle 1 genannten Gelenkerkrankungen führen zu einer chronischen Überlastung der Gelenkstrukturen. Insbesondere der Gelenkknorpel steht hier unter Stress, der nicht dauerhaft kompensiert werden kann. Knorpelgewebe reagiert zunächst mit einem Reparationsversuch, der jedoch über die Zeit gesehen erfolglos bleibt. Am Ende dieses Prozesses steht der komplette Verlust von Knorpelgewebe. Diese Entwicklung ist für den Tierhalter bedeutsam, da parallel zur Knorpeldegeneration die Intensität (u.a. Lahmheit, Steifheit) zunimmt. Für die tierärztliche Diagnostik ist das frühe Erkennen von athrotischen Gelenkveränderungen nicht leicht. Der Knorpelverlust wird erst einem späten Stadium der Arthrose röntgenologisch sichtbar. Dieses " sichtbar werden" läßt sich direkt aus knochigen Zubildungen am Gelenk und indirekt aus der Verengung des Gelenkspaltes ableiten. Problematisch ist, daß beide Erscheinung für den Tierarzt erst spät erkennbar sind, d.h. wenn der krankhafte Entstehungsprozeß der Arthrose schon seit längerem vorsichgeht.
Was sollte der Hundebesitzer erkennen ?
Arthrose oder Arthritis, beide erzeugen früher oder später Schmerzen im Gelenk. Aus der Humanmedizin weiß man, daß der Schmerz - und hier insbesondere der Arthroseschmerz - individuell empfunden wird. Wie reagieren unsere vierbeinigen Hausgenossen, wenn das Gelenk arthrotisch verändert ist und schmerzt ? Man weiß heute sehr gut, daß Arthrosen beim Tier nicht zu vergleichbaren Bewegungseinschränkungen wie beim Mensch führen. Eine Erklärung hierfür liefert uns die größere Schmerztoleranz, die bei Tieren festzustellen ist. Hunde mit Arthrosen erheben sich steif aus der Ruheposition. Im Frühstadium der Erkrankung verschwindet der steife Gang nach dem sog. Einlaufen. Besteht die Arthrose jedoch schon seit geraumer Zeit, kann der steife Gang länger anhalten. Eine Lahmheit, also das Nichtbelasten einer oder mehrerer Gliedmaße(n), zeigt uns hingegen unmißverständlich an, daß es hier um Gelenkschmerzen - Probleme der Pfote seien ausgeschlossen - geht. Schmerzhafte, arthrotische Gelenke erzeugen Abwehrreaktionen bei Berührung oder Manipulation. Fordern wir den Hund zu einer Bewegung (Trab oder Galopp) auf, so wird dies verweigert und gegebenenfalls mit einer aggressiven Reaktion quittiert. Ein Aufschreien oder Jaulen als Schmerzreaktion sollte der Tierbesitzer hingegen nicht unbedingt erwarten. Die weniger eindrücklichen Anzeichen eines Gelenkschmerzes sind für die Früherkennung einer Arthrose von Bedeutung. Auffällig sind eine allgemeine Bewegungsunlust, die verminderte Spielfreunde, die Verweigerung, über Treppen zu gehen oder ins Auto zu springen. Jedem Tierhalter sollte auch das folgende Phänomen bekannt sein: Nervosität und Erregung können Schmerzempfindungen und damit die Ausprägung einer Lahmheit überlagern. Praktische Beispiele hierfür sind die Schlüsselreize "Kaninchen" oder "Hundeleine", die den Hund plötzlich spielen und springen lassen, obwohl er sonst steif geht oder eine sichtbare Lahmheit zeigt.
Alte und neue Wege in der Therapie
Welche Therapieverfahren stehen dem orthopädisch versierten Tierarzt zur Verfügung, um schnell und nachhaltig dem Patienten die Bewegungsfreude wieder zurückzugeben, wenn die Diagnose lautet "schmerzhafte Arthrose mit entzündlichem Charakter"? Bevor eine chirurgische Intervention (Denervation, Gelenkrevision, Gelenkstabilisierung, künstliches Gelenk) in Betracht kommt, führt der Tierarzt zunächst eine symptomorientierte Behandlung durch. Hiebei geht es ihm um die Kontrolle der beiden wichtigsten Symptome, nämlich um den Schmerz und die Entzündung. Darüber hinaus hat der Tierarzt langfristig das Ziel, die weitere Zerstörung des Gelenkes zu verlangsamen und regenerative Kräfte zu fördern. Dahinter steht die Überlagerung, daß nur intakte Gelenkstrukturen (Gelenkknorpel, Gelenkflüssigkeit, Gelenkkapsel) die Belastungsfähigkeit und Bewegungsfreude garantieren, die zunächst künstlich durch die symptomatische Therapie aufrechterhalten werden. Gelingt dies alles mit "einer Pille", d.h. gibt es ein(e) Medikament(engruppe), das (die) alle Erfordernisse aus tierärztlicher Sicht erfüllt ? Die Antwort ist ein klares "NEIN". Bei der Bildung einer Arthrose laufen verschiedene krankhafte Prozesse nebeneinander ab, die man mit einem einzigen Präparat (noch) nicht kurieren kann. Darin sind sich die Wissenschaftler in Human- und Tiermedizin einig.
Schmerzmittel
Zunächst gilt es, die Symptome zu dämpfen. Hierfür werden sowohl in der Veterinärmedizin als auch in der Humanmedizin hauptsächlich sog. nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) verordnet. Diese Medikamentengruppe ist hochwirksam gegen Schmerz und Entzündung. Schon nach kurzer Anwendungszeit kann, in Abhängigkeit der Arthrosenschwere, die Bewegungsfreude des Patienten wieder hergestellt sein. Der Funktionsmechanismus der NSAIDs basiert auf einer Blockierung bestimmter Enzyme und Vermittlersubstanzen, die für die Entstehung von Schmerz und Entzündung im Gelenk verantwortlich sind. Trotz vieler positiver Eigenschaften, die insbesondere neuere Generation von NSAIDs besitzen, gelingt es ihnen nicht, alle Erfordernisse abzudecken. Hier ist zu nennen, daß NSAIDs weder die Knorpelwiederherstellung fördert noch die fortschreitende Knorpelzerstörung nachhaltig hemmen. Darüber hinaus ist bekannt, daß NSAIDs die Knorpelgrundsubstanz direkt schädigen können. Ein indirekter, nachteiliger Effekt kann durch sie entstehen, wenn das Ziel der Symptomfreiheit erreicht wurde und der jetzt wiedererstarkte Bewegungsdrang des Patienten nicht kontrolliert wird. Der Hundebesitzer muß deshalb der tierärztlichen Anweisung (Leinenzwang) unbedingt Folge leisten.
Knorpelaufbauende Präparate und warum sie sinnvoll sind
Bei der intensiven Suche nach sinnvollen und effektiven Behandlungsmöglichkeiten wurden "Makromoleküle", die sich aus den natürlichen Bestandteilen des Knorpelgewebe positiv beeinflussten. Diese Makromoleküle waren in der Lage sowohl die Bausteine für eine Knorpelneusynthese bereitzustellen als sich auch die vorhandenen Knorpelzellen zu einer verstärkten Produktion von Knorpelmasse anzuregen. Auch spezifische, knorpelbauende Enzyme wurden effektiv gehemmt. Diese Eigenschaften nannte man dann "chondroprotektiv" (die aktive Knorpelzelle heißt im Fachjargon "Chondrozyt"). Der Tierarzt nutzt heute diese chondroprotektiven Effekte in Situationen, in denen ein Knorpeltrauma erwartet wird oder schon besteht. Konkret heißt dies, daß Chondroprotektiva bei sehr sportaktiven Hunden (Schlitten-, Renn- oder auch Jagdhunden) oder beispielsweise nach chirurgischen Eingriffen am Gelenk (z.B. nach Kreuzbandriß-Operation) eingesetzt werden. Darüber hinaus werden orale Chondroprotektiva in der unterstützenden Behandlung aller chronischen Arthrosen mit guten Erfolg eingesetzt. Hierzu zählt beim Hund in erster Linie der HD-Komplex, aber auch jede Form der Altersarthrose speziell in den stark gewichtsbelasteten Gelenken.
Wie knorpelaufbauende Substanzen angewendet werden
Chondroprotektiva können mit dem Futter (z.B. chondroitinsulfathaltige Präparate) oder mit Injektionen (z.B.Hyaluronsäure) verabreicht werden. Die Applikationsweise mit der Injektionsspritze (intravenös oder intraartikulär) erfordert jeweils einen Tierarztbesuch. Kurze Abstände zwischen den Injektionen, die zudem in einer ausreichenden Anzahl gegeben werden müssen, sind dem Patienten jedoch nicht immer zuzumuten. Vor diesem Hintergrund war die Entwicklung von speziell auf den Gelenkstoffwechsel zugeschnittenen Ergänzungsfuttermitteln ein nächster Schritt. Diese spezielle Form des Futtermittels enthält einen spezifischen Zusatz von knorpelaufbauenden Substanzen, die sollte täglich und über mehrere Wochen ausreichend hoch dosiert (10-15 mg/kg) gegeben werden, da Chondroitinsulfat in dem wenig stoffwechselaktiven Knorpelgewebe nur langsam eingelagert wird.
Zusammenfassung
Die Entwicklung einer degenerativen Gelenkerkrankung ist ein langsamer, aber fortschreitender Prozeß, der durch eine chronische Überlastung der Gelenke hervorgerufen wird. Dabei werden die sensiblen Gelenkstrukturen (Gelenkknorpel, Gelenkflüssigkeit, Gelenkkapsel) in Mitleidenschaft gezogen. Es kommt zur Bildung von Ersatzgewebe und Zubildungen im Gelenk, wodurch Beweglichkeit und Funktionalität verloren gehen und sicherlich damit auch ein Stück Lebensqualität. Eine Lahmheit kennzeichnet einen schmerzhaften Prozeß. Steht die Diagnose "Arthrose" fest, leitet der Tierarzt zunächst eine symptomorientierte Therapie ein. Durch den Einsatz von NSAIDs bessert sich die Lahmheit zwar zusehends, aber der fortschreitende Verlust von Knorpelgewebe kann nicht nachhaltig gestoppt werden. Neben Chondroitinsulfat sollten weitere, den Gelenkstoffwechsel günstig beeinflussende Elemente (Gelatine, Mangan, DL-Methionin, Selen, Vitamin C) in relevanter Menge kombiniert werden. Diese Kombination greift die Thematik der Unterstützung des Gelenkstoffwechsels und der Knorpelregeneration ganzheitlich auf, weil die benötigten Bausteine zusammengefasst sind. Zu guter Letzt muss allerdings der Hundebesitzer auch etwas hinzutun, denn häufig wird vom Tierarzt zusätzlich eine Gewichtsreduktion für den Patient Hund empfohlen. Erst mit diesem "Gesamtpaket" wird das Fortschreiten der Arthrose verlangsamt werden können.
Dr.med. vet. Wolf-Rüdiger Pankow CHASSOT GmbH, Ravensburg
*Quelle: http://www.tier-magazin.de